Montag, Dezember 25, 2006

Das Leben des Kristian

Heute ist der erste Weihnachtsfeiertag. Ich muss arbeiten. Eigentlich gar nicht sooo schlecht. Wird eh keiner Anrufen und ich bin auf den Tag im Buero gespannt. Alle wollen was zu essen mitbringen; Die Kantine hat ja nicht offen. Naja, es gibt ja auch immer noch das Internet.

Heute Morgen, so kurz vor Arbeitsbegin, wollte ich wieder, wie jeden Morgen, die Rampe zur Tiefgarage herunterrollen. Die war aber verschlossen, genauso, wie der Haupteingang. Also durch den Nebeneingang. Der Sicherheitsdienst wollte noch eine Unterschrift haben (Warum eigentlich? Muss ich bestaetigen, das ich freiwillig heute arbeite? Koennen die das nicht glauben, kopieren die Liste und verschicken sie zu Silvester an ihre irischen Freunde und Verwandten?)

Und jetzt sitze ich hier. Ich bin gespannt, ob heute oder Morgen einer anruft. Warum sollte jemand an Weihnachten arbeiten? Vielleicht, wenn ihm die Familie auf den Geist geht, keine Lust auf den Besuch bei Tante Gudrun hat, die Kinder verzogene Goeren sind oder Schatzi die ganze Zeit nur rumnoergelt. "Du Schatze ich muss leider dringend in die Firma. Die brauchen mich. Der Fahrstuhl im Bundeskanzleramt ist steckengebliegen und die Kanzlerin moechte doch so gerne zum Truthahnessen in Stralsund sein. Ich beeile mich auch. Mach dir einen schoenen Tag mit den Goeren, aeh Kindern!".

Und weg. Und dann auf der Arbeit weiss er nicht was er tun soll. Aber da war ja schon lange dieses Problem mit dem Computer, und jetzt hab ich ja endlich mal Zeit diesen neuen Help Desk anzurufen. "IT Help Desk, koennen die das nicht normal deutsch nennen? Vielleicht 'Telefonische Rechnerhilfe', oder so. Die sollen ja das ganze Jahr ueber erreichbar sein. Versuchen wir doch mal." Und so landet er bei mir.

"Willkommen beim IT Help Desk! Mein Name ist ...," werde ich meinen, durch vielzu haeufige Wiederholung, vernuschelten, Text hervorsprudeln, froh und neugierig. Und er wird anfangen von seinem Problem mit Outlook zu berichten, dass er seine alten Emails, die von vor 2005, nicht mehr oeffnen kann. Nach einiger Zeit wird er dann aber unvermittelt fragen, warum denn ich heute arbeite. "Habn's kein Familie?" Nein, habe ich nicht. "Machn's nichts draus, geht eh nur auf'd Nerv." Und dann erzaehlt er mir von seiner depressiven Frau, Tabletten-abhaengigen Frau und von seinen beiden missratenen Soehnen.

Die Frau hats ihm besonders angetan. Sie sind durch dick und duenn gegangen. "Hab'n wa nich aufg'eben. Nee! Hab'n wa einfach weita g'macht." Aber manchmal kann er es einfach nicht mehr zu Hause aushalten. "Dann brauch i Ruh."